Erklärung der Verbände

zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung IPREG

Wir Verbände begrüßen grundsätzlich die Zielrichtung des Gesetzes zur Stärkung von intensivpflegerischer Versorgung und medizinischer Rehabilitation in der gesetzlichen Krankenversicherung (IPREG), mit der die Versorgungsqualität im Bereich von außerklinischer Intensivpflege gestärkt sowie Beatmungsentwöhnung gefördert wird.

Es ist jedoch völlig unverständlich, weshalb künftig der Medizinische Dienst bzw. die Krankenkassen entscheiden sollen, ob ein Betroffener in der eigenen Häuslichkeit verbleiben darf oder in einer stationären Pflegeeinrichtung versorgt wird.

Dies ist aus mehreren Gründen entschieden abzulehnen:

  • Alle Menschen haben die gleichen Rechte, unabhängig ihres Gesundheitszustandes und einer Behinderung.
  • Das Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen hat bei der Entscheidung bezüglich des Versorgungsortes höchste Priorität.
  • Finanzielle Interessen dürfen nicht über den persönlichen Wünschen der Betroffenen stehen.
  • Es darf nicht im Ermessen des Medizinischen Dienstes oder der Krankenkassen liegen, gegen den Willen des Betroffenen über den Wohnort zu entscheiden.
  • Eine Einschränkung des Selbstbestimmungsrechts verstößt gegen die Vorschriften zur Teilhabe der UN-Behindertenrechtskonvention (Art. 3 Buchst. c UN-BRK, Art. 19 Buchst. A UN-BRK, Art. 26 Abs. 1 UN-BRK), des Grundgesetzes (Art. 1 GG, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 11 GG) sowie gegen die entsprechenden Vorgaben des SGB V (§ 2a SGB V), des SGB IX (§ 1 SGB IX) und den im SGB V und SGB XII verankerten Grundsatz „ambulant vor stationär“ (§ 37 Abs. 1 und 2 SGB V, § 13 SGB XII).
  • Es ist im Hinblick auf den individuellen Gesundheitszustand und den damit verbundenen Einschränkungen in der Bewältigung des Alltags insbesondere für intensiv-medizinisch betreute Patientinnen und Patienten wichtig, über die Wahl des Lebensmittelpunktes selbst bestimmen zu können, unabhängig ihres Alters.

Menschen mit einem intensivmedizinischen Pflegebedarf, wie z. B. invasiver Beatmung, sind bereits aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation stark in ihrer Lebensqualität eingeschränkt. Diesen Betroffenen nun auch noch ihr freies Wunsch- und Wahlrecht in Bezug auf ihren Lebensmittelpunkt zu nehmen, bedeutet für die Betroffenen einen tiefgreifenden persönlichen Einschnitt in ihre Selbstbestimmung und nimmt ihnen jegliche Möglichkeit der gesellschaftlichen Teilhabe. Es ist damit zu rechnen, dass die Umsetzung dieser Reform bei den Betroffenen und deren Angehörigen zu psychischen Traumatisierungen, Depressivität oder gar Suizidalität führen wird.

Wir fordern deshalb nachdrücklich, den Referentenentwurf zum IPREG zu überarbeiten, und das einschränkende Kriterium der Angemessenheit in § 37c Abs. 2 SGB V sowie den Verweis auf § 104 SGB IX zu streichen.

Ansprechpartner*in:
Anne Linneweber, Der Paritätische Gesamtverband
Kontakt:
selbsthilfe@paritaet.org
030 24 636-321

Olaf Christen, VdK
Kontakt:
christen@vdk.de
030 9210580-306

Erklärung öffnen (PDF)

veröffentlicht am 24.01.2020
aktualisiert am 24.01.2020